Interview: „Diagnose Darmkrebs: Wie geht es weiter?“
Ob sie eine dunkle Vorahnung bestätigt oder aus heiterem Himmel kommt: Die Diagnose Darmkrebs ist ein Schock. Patienten beschreiben, dass sie aus allen Wolken fallen und nicht mehr wissen, wo oben und unten ist. Eine solche Diagnose zu erhalten, obwohl man sich eigentlich körperlich fit fühlt, erleben viele zusätzlich als große Verunsicherung.
Menschen, die mit der Diagnose Darmkrebs konfrontiert werden, schießt vieles auf einmal durch den Kopf. Die erste Frage ist wahrscheinlich meist: Wie geht es jetzt weiter?
Wichtig ist: nicht den Kopf verlieren! Darmkrebs ist auch in den fortgeschrittenen Stadien meist noch gut zu behandeln. Der Patient sollte sich an ein zertifiziertes Darmkrebszentrum wenden. Dort ist bereits durch unabhängige externe Prüfer nachgewiesen, dass das Krankenhaus auf Darmkrebs spezialisiert ist und eine interdisziplinäre Behandlung der Erkrankung leisten kann. Denn die gemeinsame Zusammenarbeit von Experten verschiedener Fachbereiche ist eine wichtige Bedingung für eine optimale Behandlung. An einem zertifizierten Darmkrebszentrum kann auch eine Zweitmeinung eingeholt werden. Hier erhält der Patient eine zusätzliche unabhängige Einschätzung zu seiner Erkrankung und möglichen Behandlungsoptionen und hat anschließend beispielsweise weiterhin die Möglichkeit, eine Operation heimatnah in einem Krankenhaus durchführen zu lassen, das gegebenenfalls selbst nicht zertifiziert ist.
Nach der Bewältigung des ersten Schocks gilt es, genauer hinzusehen und sich die Optionen klarzumachen. Welche Therapiemöglichkeiten gibt es, und wie wird die Therapieentscheidung getroffen? Wie werden Betroffene in diese eingebunden?
Grundsätzlich ist bei der Wahl der Behandlungsmethode zwischen Dickdarm und Mastdarmkrebs zu unterscheiden:
Bei Dickdarmkrebs erfolgt fast immer zuerst eine Operation und im Anschluss, in Abhängigkeit vom Tumorstadium, eine Chemotherapie. Liegen bereits Metastasen (Tochtergeschwülste) vor, kann auch zuerst eine Chemotherapie erfolgen, der sich die operative Behandlung anschließt. Voraussetzung für dieses Vorgehen ist jedoch, dass der Tumor nicht die Darmpassage blockiert und der Stuhlgang uneingeschränkt erfolgen kann.
Patienten mit Mastdarmkrebs erhalten in zwei Drittel der Fälle zunächst eine Vorbehandlung durch Bestrahlung sowie eine begleitende „milde“ Chemotherapie. Etwa sieben Wochen nach Abschluss dieser Vorbehandlung wird der Tumor durch eine Operation entfernt. Anschließend erhalten Betroffene etwa vier bis sechs Wochen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus noch einmal eine ambulante Chemotherapie.
Die Entscheidung zur Therapieart fällt in der regelmäßig stattfindenden Tumorkonferenz, in der Spezialisten aus allen beteiligten Fachbereichen jeden Fall individuell besprechen. Diese Entscheidung wird dem Patienten im Rahmen eines Sprechstundenbesuchs mitgeteilt. Im Anschluss wird dann gemeinsam das weitere Vorgehen festgelegt.
Welche Operationsmöglichkeiten gibt es bei Darmkrebs? Kann der Eingriff auch minimalinvasiv erfolgen?
Bei Darmkrebs ist die klassische (offene) Operationstechnik auch heute noch der Goldstandard und wird mehrheitlich durchgeführt. Dennoch etabliert sich auch bei der Behandlung von Darmkrebs zunehmend die minimalinvasive Chirurgie (Schlüssellochchirurgie) Beide Verfahren führen zu vergleichbar guten Ergebnissen, die minimalinvasive Behandlung ist für den Patienten jedoch schonender. Der Krankenhausaufenthalt ist in der Regel kürzer, und der Betroffene hat weniger Schmerzen. Auch treten nach einer minimalinvasiven Operation seltener Narbenbrüche auf. Dabei handelt es sich um Hernien in der Bauchdecke, die häufig als Spätkomplikation im Bereich von Operationsnarben auftreten und wiederum selbst nur durch eine Operation behandelt werden können.
Ein künstlicher Darmausgang ist vielen Menschen eine unangenehme Vorstellung. Wann kann darauf verzichtet werden, und wann muss der Patient sich damit arrangieren – und für wie lange?
Bei Eingriffen wegen Dickdarmkrebs ist die Anlage eines künstlichen Darmausgangs nicht üblich. In schwierigen Fällen kann es jedoch vorkommen, dass ein vorübergehender künstlicher Darmausgang sinnvoll ist.
Wurde der Mastdarm entfernt, ist es meist zumindest vorübergehend notwendig, einen künstlichen Darmausgang zu legen. Auf diese Weise kann die Naht im Darm besser ausheilen und der After schneller wieder seine Funktion aufnehmen. Der künstliche Darmausgang kann in den meisten Fällen nach sechs bis zwölf Wochen wieder entfernt werden. Ein dauerhafter (endständiger) künstlicher Darmausgang wird in der Regel nur dann notwendig, wenn auch der Schließmuskel im After durch den Krebs angegriffen ist
Mit welchen Einschränkungen müssen Betroffene nach der Behandlung rechnen? Wann können sie wieder „normal“ leben?
Wurde ein Stück des Dickdarms entfernt, kann es nach der Operation zu einer Erhöhung der Stuhlfrequenz kommen, die sich in vielen Fällen mit der Zeit aber wieder reguliert.Auch nach der Entfernung des Mastdarms muss mit einer deutlichen Erhöhung der Stuhlfrequenz (zwei bis vier Entleerungen pro Tag) gerechnet werden. Dies lässt sich oft mit milden Medikamenten verbessern.
Wie sieht die Nachsorge aus? Wie lange und in welchen Intervallen sind Untersuchungen notwendig?
Im Anschluss an eine Krebsbehandlung ist jedem Darmkrebspatienten die Nachsorge zu empfehlen: Diese läuft mindestens fünf Jahre, im ersten Jahr vierteljährlich. Bei den regelmäßigen Kontrollen werden verschiedene Untersuchungen durchgeführt, so beispielsweise Blutuntersuchungen, Ultraschallkontrollen, Darmspiegelungen und Computertomografien. So sollen frühzeitig Rückfälle (Rezidive) erkannt oder auch Folgen der Therapie behandelt werden.
Wie hoch ist das Risiko eines Rezidivs?
Das Risiko des Wiederauftretens von Dick und Mastdarmkrebs ist abhängig vom Tumorstadium: Im Stadium I liegt die Wahrscheinlichkeit bei unter fünf Prozent, im Stadium IV hingegen bei über dreißig Prozent. Gerade um solche möglichen Rezidive frühzeitig erkennen und behandeln zu können, ist die regelmäßige Nachsorge wichtig.
Gibt es besondere Unterstützungsangebote für Patienten mit Darmkrebs?
Darmkrebszentren bieten neben der medizinischen Betreuung in der Regel auch psychoonkologische Unterstützung an: Der Patient und auch seine Angehörigen erhalten hier Hilfe bei psychischen und sozialen Problemen sowie bei der Bewältigung der Erkrankung. Auch Sozialdienste bieten Hilfe, beispielsweise bei der Organisation von häuslicher Unterstützung.