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Chronisch entzündliche Darmerkrankungen

Chefarzt Prof. Dr. Christian Pehl ist langjähriges aktives Mitglied im Kompetenznetz chronisch entzündliche Darmerkrankungen. Das Kompetenznetz Darmerkrankungen ist ein Verbund von Fachkliniken, niedergelassenen Ärzten und universitären Instituten, die auf die Erforschung und Behandlung  der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) Morbus Crohn und Colitis ulcerosa spezialisiert sind

Neben der Identifizierung krankheitsbegünstigender, individueller genetischer Dispositionen werden im Kompetenznetz neuartige Diagnose-Verfahren evaluiert und standardisierte Therapien entwickelt. Überdies wurden allgemein anerkannte Leitlinien für die Behandlung CED-Betroffener erarbeitet - die Basis für eine Therapie aller Patienten entsprechend der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse.


Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Rund 300.000 Menschen sind in Deutschland derzeit an den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa erkrankt. Meistens treten die Krankheiten im Lebensalter von 20 bis 30 Jahren auf. Aber auch Kleinkinder und Jugendliche sind betroffen.
Anhaltender Durchfall und Bauchschmerzen - das sind die wesentlichen Symptome, wenn sich der Verdauungstrakt des Menschen entzündet hat. Treten diese Beschwerden innerhalb kurzer Zeit vermehrt und schubweise auf, liegt die Diagnose einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung nahe. Dabei sind zwei Krankheitsbilder zu unterscheiden: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa.


Morbus Crohn

Beim Morbus Crohn kann die Entzündung den gesamten Verdauungstrakt betreffen, vom After bis zum Mund. Die entzündlichen Prozesse treten aber meist im Darmbereich auf. Hier jedoch in der Regel nicht zusammenhängend - krankhaft veränderte und gesunde Bereiche wechseln sich ab. An den Entzündungsherden sind sämtliche Schichten des Darms befallen, teilweise regelrecht zerstört. Hier können sich dann Eitereinschlüsse (Abszesse) bilden, oder die Entzündung gräbt regelrechte Gänge bis in das benachbarte Gewebe (Fisteln). Überdies kommt es durch die entzündliche Darmwandverdickung oder bindegewebige Vernarbungen im Rahmen der Entzündung auch zu Verengungen (Stenosen).


Colitis ulcerosa

Das Krankheitsbild Colitis ulcerosa unterscheidet sich von der Crohn-Erkrankung maßgeblich dadurch, dass die Entzündung in über 95 % der Fälle auf den Bereich des Dickdarms begrenzt ist. Dieser ist kontinuierlich entzündet. Befallen ist anders als bei Morbus Crohn jedoch ausschließlich die Schleimhaut als oberste Darmschicht. Da die Symptome beider Krankheitsbilder meist sehr ähnlich sind, ist ihre Unterscheidung schwierig. In diesem Fall spricht der Arzt von einer Colitis indeterminata. Auch ist es möglich, dass sich die Diagnose im Laufe der Zeit ändert.

Was die Erkrankung konkret auslöst ist noch nicht vollständig bekannt: es handelt sich wahrscheinlich um das Zusammenwirken verschiedener auslösender Faktoren. Außer identifizierten spezifischen genetischen Anlagen spielen als CED-Ursachen weitere Faktoren eine Rolle (Umwelteinflüsse, Ernährungsweise und psychische Gründe) - sicher belegt ist ein negativer Einfluss des Rauchens auf Morbus Crohn.

So viel ist aber auf jeden Fall klar: bei Crohn und Colitis ist die natürliche Barrierefunktion gestört, die der Darm gegenüber Bakterien und anderen Eindringlingen darstellt. Durch die nicht mehr vollständig intakte Abwehr bei einer Entzündung des Darms, der mehr als zwei Drittel aller menschlichen Immunzellen beherbergt, dringen Bakterien in die Darmwand ein. Dies führt zu einer Abwehrreaktion des Körpers – die schließlich aus dem Ruder läuft: es entsteht eine lokale sowie systemische Entzündungsreaktion, die chronisch wird. Folgewirkungen sind akute Symptome auch außerhalb des Darms, so genannte „extraintestinale Manifestationen“ an Gelenken, Bändern und Muskeln, an Haut, Augen und der Leber. Hier kann es in der Folge der CED ebenfalls zu schmerzhaften Entzündungen, an der Haut zu Geschwüren und Knoten kommen. Oftmals vermindern sich bei Crohn- und Colitis-Patienten ergänzend die Knochendichte und der Mineralstoffgehalt in den Knochen - auch ein Resultat der herkömmlichen Cortison-Therapie.

Zudem ist, gerade wenn es zu einer chronischen und unkontrollierten Entzündung kommt, das Risiko eines Darmkrebs deutlich erhöht. Auch deshalb sollten CED-Betroffene einer kontinuierlichen ärztlichen Überwachung unterliegen.



Die Behandlung von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa


Bei der Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen sind die Behandlung eines akuten Entzündungsschubs und das Vorgehen im beschwerdefreien Intervall zur Vorbeugung einer erneuten Entzündung zu unterscheiden.

Zur akuten Linderung der Beschwerden des Patienten stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, die die Entzündung kurzfristig hemmen und beseitigen sollen, um den Betroffenen schnellstmöglich von den Beschwerden zu befreien. Diesen Zweck erfüllt vor allem das eigentlich vom menschlichen Körper selbst produzierte Hormon Kortison, das der Mensch in Stresssituationen automatisch ausschüttet.

Medikamente mit diesem Wirkstoff können kurzfristig auch in hoher Dosis genommen werden. Sie drängen die Entzündung im Darm meist verlässlich zurück. Wegen der schweren Nebenwirkungen von Kortison bei einer Einnahme über einen längeren Zeitraum - wie Zuckererkrankung, Entkalkung der Knochen, Bluthochdruck oder Augenkrankheiten - sind diese Präparate für eine andauernde Behandlung jedoch ungeeignet.

Leichtere Entzündungsschübe werden daher durch Kortisonfreie Medikamente wie Aminosalizylate behandelt. Zudem sind diese Medikamente gut geeignet zur Prophylaxe erneuter Entzündungsschübe bei der Colitis ulcerosa. Eine Therapie von Schüben der Colitis ulcerosa sowie eine Schub-Prophylaxe ist auch durch Gabe des Probiotikums („gute“ Darmbakterien) E.coli Nissle möglich. Eine weitere Alternative zum Cortison stellt, insbesondere beim M. Crohn, das Budenosid dar. Budenosid ist ein überwiegend nur im Darm wirksames Kortison-Präparat, da es nach der Aufnahme in den Körper unmittelbar durch die Leber abgebaut wird.

Bei einigen Patienten, die unter ständig wiederkehrenden Entzündungsschüben leiden, haben sich andere kortisonfreie Medikamente bewährt. Diese basieren auf einem anderen Wirkmechanismus. Die so genannten Immunsuppressiva reduzieren künstlich die im Falle einer Entzündung gesteigerte Aktivität des körpereigenen Abwehrsystems. Dadurch wird die Entzündung vorübergehend zurückgedrängt.

Zur Anwendung gelangen in der CED-Therapie auch so genannte Biologika. Hierzu zählen die TNFa-Antikörper (Infliximab, Adalimumab und Golimumab), die zur Bekämpfung der Entzündung gezielt den Entzündungsstoff TNFa im Blut des Patienten abfangen. Zu den Biologika gehört auch der Adhäsionsmolekülblocker Vedolizumab. Dieser blockiert das Einwandern von Entzündungszellen (Leukocyten) in die Darmwand.

Da bisher eine Heilung der Erkrankungen nicht möglich ist, wird die Therapie von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa auch vorerst weiter darauf ausgerichtet sein, die beschwerdefreien Zeiträume zu erweitern – um dem Patienten so ein Stück seiner mit der CED-Diagnose reduzierten Lebensqualität zurückzugeben.

Verschiedentlich kann auch ein operativer Eingriff notwendig sein. Dieser ist vor allem dann unumgänglich, wenn sich Fisteln (Zerstörung benachbarter Gewebe), Abszesse (Eiterkapseln) oder Stenosen (Engstellen) in den Entzündungsregionen gebildet haben, die es zu öffnen oder entfernen gilt. Durch die Entwicklung neuer Techniken sind diese chirurgischen Verfahren heute für den Patienten sehr schonend.

Über die medikamentöse Therapie oder die Operation hinaus wird ein auf CED-spezialisierter Arzt mit seinem Patienten einen Therapieplan zur dauerhaften Behandlung seiner lebenslangen Erkrankung entwickeln. Ziel ist es, jeweils eine erneute Entzündung so lange wie möglich zu verhindern.


Medikamente

Aminosalizylate (Mesalazin, Sulfasalazin)

Die Aminosalizylate haben zahlreiche verschiedene Angriffspunkte. Sie hemmen wie Glukokortikoide, die Produktion von pro-entzündlichen Prostaglandinen und Leukotrienen. Die Immunglobulinsynthese wird gehemmt und die Funktion der neutrophilen Granulozyten wird ebenfalls beeinträchtig. Über diese Mechanismen erzielen die Aminosalizylate ihre Wirkung. Durch die Elimination der Sulfapyridinkomponente des Sulfasalazins konnte die Nebenwirkungsrate entscheidend reduziert werden. Die so entstandene nebenwirkungsarme Substanz Mesalazin (5-ASA) wird durch eine spezielle galenische Zubereitung  an den Ort des Geschehens ohne Wirkungsverlust gebracht. Bei der früher gebräuchlichen Substanz Sulfasalazin erfolgte die Freisetzung des 5-Aminosalizylates nach bakterieller Spaltung erst im Colon, so dass sich die medikamentöse Wirkung dort dann ausbreiten konnte.

Im Vergleich zu den Glukokortikoiden ist die anti-entzündliche Aktivität der Aminosalizylate auch in hoher Dosis deutlich niedriger, weshalb der klinische Einsatz bei einem schweren akuten Schub gegenüber Glukokortikoiden eingeschränkt ist. In der Remissionserhaltung, insbesondere bei Colitis ulcerosa ist 5-ASA aber sehr nützlich. Lokale Applikationsformen, wie Klysmen oder Suppositorien, können durch eine erhöhte Wirkstoffkonzentration am Ort des entzündlichen Geschehens diese Wirkung noch verstärken.


Kortikosteroiden (inklusive Budenosid)

Kortikosteroiden passieren passiv die Zellmembran und binden an einen Rezeptor, der in allen Zellen einheitlich ist. Da keine Subtypen dieses Rezeptors identifiziert wurden, ist es bisher nicht gelungen, Wirkungen und Nebenwirkungen komplett zu trennen. Die Glukokortikoide haben verschiedene Angriffpunkte, um ihre anti-entzündliche Wirkung zu entfalten. Dies sind die Hemmung der Prostaglandin- und Leukotriensynthese, die Suppression der Lymphozytenzahl und –aktivität, die Hemmung der Freisetzung von proinfammatorischen Zytokinen, die Inhibition der Makrophagen- und Mastzellenaktivität, die Hemmung der Migration und Aktivität von Granulozyten und die Verminderung der Gefäßpermeabilität. Eine Möglichkeit die Nebenwirkungen zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren ist die Gabe von Präparaten – z.B. das Budenosid -, die nach der Aufnahme aus dem Darm in der Leber unmittelbar abgebaut werden.


Immunsuppressiva

Die klassischen Immunsuppressiva vom Typ des Azathioprin und 6-Mercaptopurin reduzieren die Funktion und Zahl der T-Lymphozyten, Plasmazellen und „Natural Killer Cells“. Im Gegensatz zu anderen Substanzen wie Kortikosteroide und Aminosalizylaten, die sofort wirken, benötigen sie allerdings eine Vorlaufzeit von etwa 2 bis 4 Monaten bis zum Wirkungseintritt. Die potenziellen Nebenwirkungen erfordern gerade bei der Einleitung einer Therapie eine intensive engmaschige Kontrolle mit anfänglichen häufgeren Laborkontrollen. Werden diese Medikamente dann aber vertragen, treten später eher nur noch selten Nebenwirkungen auf. Weitere Kontrollen sind aber auch im späteren Verlauf der Therapie in größeren Abständen immer noch erforderlich. Bei Versagen der klassischen Immunsuppressiva kommt Methotrexat in Betracht, dass einmal pro Woche in die Bauchhaut gespritzt wird.


TNF-Alpha-Antikörper (Infliximab, Adalimumab, Golimumab)

Einen Versuch der weiteren Spezifzierung der Therapie stellen die so genannten biologischen Therapeutika dar. Auf verschiedenen Ebenen wurde und wird versucht in die proinflammatorische Kaskade einzugreifen und den Entzündungsprozess zu unterbinden. Wirkstoffe sind Infiximab, das vom Arzt infundiert wird, sowie Adalimumab, und Golimumab, die vom Patienten selbst subkutan (in die Bauchhaut) gespritzt werden. Ein ganz wesentlicher Wirkungsmechanismus der TNF-Alpha-Antikörper liegt im gezielten Abbau von Immunzellen durch Bindung an TNF an der Zelloberfäche.


Vedolizumab

Vedolizumab ist ein a4ß7-Integrin Antikörper. Dadurch wird der Transport von Entzündungszellen (Leukocyten, Lymphocyten) aus dem Blut in den betroffenen Darmabschnitt unterbrochen. Dadurch kann die Entzündung im Verlauf von Wochen ausheilen. Um den Effekt zu erreichen bzw. aufrecht zu erhalten muss Vedolizumab im Abstand von 4 - 8 Wochen regelmäßig infundiert werden.