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Diagnostik und Behandlung der Stuhlinkontinenz


Liebe Betroffene und Angehörige,

eine Stuhlinkontinenz sollte heutzutage kein Grund mehr sein für einen Rückzug aus seinem gewohnten Leben. Überwinden sie Ihre Scham und sprechen sie mit Ihrem Hausarzt, dass er sie in unserem Inkontinenz- und Beckenbodenzentrum vorstellt. Mit geringem diagnostischem Aufwand können wir den Schweregrad ihrer Erkrankung einschätzen und ihnen zahlreiche Therapieoptionen anbieten. Dadurch gelingt es bei den meisten Patienten, die Stuhlhalteschwäche zumindest entscheidend zu verbessern und damit ihre Lebensqualität zu erhalten.

An einer Stuhlinkontinenz leiden etwa 1-2% aller Menschen, insbesondere Frauen aufgrund der Möglichkeit einer Schädigung der Strukturen des Beckenbodens im Rahmen einer Entbindung. Eine Stuhlinkontinenz stellt für die Patientin häufig ein einschneidendes Erlebnis dar - mit einer ausgeprägten Reduktion der Lebensqualität. Eine Stuhlinkontinenz kann in jedem Lebensalter auftreten, z.B. nach Verletzungen, Operationen oder eben nach Entbindungen, betroffen sind jedoch vor allem ältere Patienten. Im Alter über 65 Jahre ist etwa jeder zehnte Mensch mit Symptomen einer Stuhlinkontinenz geplagt.

Entsprechend der Beschwerdestärke wird die Stuhlinkontinenz in verschiedene Schweregrade eingeteilt. In der leichtesten Form besteht nur die Schwierigkeit, Winde zu kontrollieren, z.B. beim Heben oder Husten. Schreitet die Stuhlhalteschwäche voran, kann auch der Stuhl nicht mehr zurückgehalten werden. Dies passiert vor allem in Situationen, in denen die Konsistenz des Stuhls verändert ist, z.B. im Rahmen einer Durchfallerkrankung. In der schwersten Form besteht auch die Unfähigkeit, normal geformten Stuhl nicht mehr sicher zurückhalten zu können. Abgrenzen von der Stuhlinkontinenz ist das isolierte Stuhlschmieren, das durch unbemerkten Abgang geringster Stuhlmengen im Anschluss an die Stuhlentleerung charakterisiert ist und vielfach seine Ursache in Erkrankungen des Enddarms z.B. Hämorrhoiden hat.

Um die verschiedenen Ursachen der Stuhlinkontinenz zu ermitteln sowie um die Therapie zielgenau und individuell planen zu können, müssen zu Beginn einige Untersuchungen durchgeführt werden. Die Diagnostik gliedert sich dabei in Basisuntersuchungen und spezifische Untersuchungsverfahren zur Abklärung der Stuhlhalteschwäche. Die Basisuntersuchung umfasst eine sorgfältige Anamnese nach Risikofaktoren bzw. ursächlichen Erkrankungen sowie zur Schweregradeinteilung. Eine Enddarmspiegelung (Proktoskopie) dient zur Untersuchung auf Erkrankungen im Enddarmbereich (Entzündung, Hämorrhoiden u.a.). Im Alter über 50 Jahren muss zudem eine Darmspiegelung (Koloskopie) erfolgen, zum sicheren Ausschluss einer Dickdarmkrebserkrankung (nur falls in den letzten fünf Jahren keine Spiegelung erfolgt ist).
Zu den spezifischen Untersuchungsverfahren zur Abklärung der Stuhlinkontinenz zählt die anorektale Manometrie (Druckmessung) sowie die Endosonographie (spezielle Ultraschalluntersuchung). Bei der anorektalen Manometrie werden mittels eines über den After eingeführten, wenige Millimeter dicken Spezialkatheters der Verschlussdruck im Analkanal sowie die maximale Zwickkraft im Bereich des Schließmuskels gemessen. Zudem wird über einen am Katheter angebrachten kleinen Ballon untersucht, ob die Dehnfähigkeit sowie das Verspüren der Enddarmdehnung vorhanden bzw. gestört ist. Mit Hilfe der Endosonographie, bei der eine etwa fingerdicke Ultraschallsonde über den After eingeführt wird, kann man Schädigungen im Bereich der Schließmuskulatur erkennen. Derartige Schädigungen können nach Entbindungen (bis zu 8% der Frauen) und selten auch nach Operationen im Schließmuskelbereich auftreten.

Basierend auf den Ergebnissen der Diagnostik planen wir dann für Sie ein Therapiekonzept. Üblicherweise erfolgt dieses anhand eines Stufenschemas, wobei je nach Erfolg bzw. Misserfolg einer Behandlungsstufe auf die nächst höhere Stufe vorangeschritten wird. Mit jeder Stufe nimmt zwar die Wirksamkeit der Therapie zu, aber auch die Komplexität und das Komplikationsrisiko.

Zur medikamentösen Unterstützung werden bei verminderter Stuhlkonsistenz wasserbindende Ballaststoffe in Form der Flohsamenschalen eingesetzt. Ist diese einfache Therapiemaßnahme nicht ausreichend, ist Loperamid das Mittel der Wahl zur medikamentösen Therapie der Stuhlinkontinenz. Im Gegensatz zu dem bekannten Einsatz bei einer akuten infektiösen Durchfallerkrankung handelt es sich in der Therapie der Stuhlinkontinenz um eine Dauertherapie, die Dosierung erfolgt individuell nach Wirkung.

Die nächste Therapiestufe besteht in übenden Therapieverfahren, ggf. ergänzt durch Verfahren der Elektrostimulation. Die einfachste Form der Übungstherapie stellt die Beckenbodengymnastik dar, die zusammen mit medikamentösen Therapieoptionen bei der Hälfte der Patienten die Stuhlhalteschwäche ausreichend beseitigt. Sollte jedoch die Stuhlinkontinenz weiter bestehen bleiben, wird von uns eine Biofeedbacktherapie eingesetzt. Hierbei werden sie im Rahmen eines kurzstationären Aufenthaltes von unseren geschulten Therapeuten an ein spezielles Trainingsgerät angelernt. Anschließend verordnen wir Ihnen dieses Gerät für drei bis sechs Monate als Heimtrainingsgerät. Ergänzt werden kann dabei das Biofeedbacktraining der Afterschließmuskeln durch Stimulationsverfahren mit niedrig dosierten speziellen Strommustern. Dabei wird der Strom entweder direkt im Afterbereich oder im Knöchelbereich an den sogenannten Nervus tibialis (zieht im Weiteren an den Schließmuskelnerven vorbei) appliziert. Dieser spezielle, ungefährliche und nicht schmerzhafte Stromfluss führt zu einer Muskelaktivierung im Bereich des Schließmuskels mit entsprechendem Trainingseffekt. Mit Hilfe des Biofeedbacktrainings gelingt es bei ca. 75 % aller Patienten, die Stuhlhalteschwäche zufriedenstellend zu verbessern.

Die nächste Therapiestufe in der Behandlung der Stuhlinkontinenz stellt die sakrale Neuromodulation dar, auch als Kreuzbeinschrittmacher bezeichnet. Dieser Kreuzbeinschrittmacher wird im Rahmen eines kleinen operativen Eingriffes eingebaut und führt zu einer stetigen Unterstützung der Nervenfunktion des Schließmuskels. Der große Vorteil des Verfahrens besteht darin, dass man den Schrittmacher zunächst für zwei bis drei Wochen mit einer Elektrode durch die Haut testen kann, bevor man ihn endgültig operativ einbaut. Mit Hilfe des Kreuzbeinschrittmachers kann man die Erfolgsrate der Therapieoptionen der Stuhlinkontinenz auf ca. 80% aller Patienten anheben.

Auch den verbleibenden Patienten kann man vielfach noch eine operative Therapieoption anbieten. Hierzu zählen z.B. die Internus-Augmentation (Einspritzen von Polstermaterial in den inneren Teil des Schließmuskels), die dynamische Gracilisplastik (eine Muskeltransplantation vom Oberschenkel zum Schließmuskel in Kombination mit einer Schrittmacherversorgung) sowie der Einbau eines künstlichen Schließmuskels. Mit Ausnahme der Internus-Augmentation handelt es sich dabei aber um sehr komplexe größere Eingriffe.