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Diagnostik und Therapie der chronischen Obstipation

Von einer chronischen Obstipation spricht man bei Vorliegen von subjektiv unbefriedigenden Stuhlentleerungen über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten. Stuhlentleerungen gelten dabei als unbefriedigend, wenn entweder weniger als drei Entleerungen pro Woche stattfinden oder mindestens zwei Leitsymptome einer Obstipation vorliegen. Die Leitsymptome der Obstipation umfassen ein starkes Pressen, einen klumpigen oder harten Stuhl, eine unvollständige Stuhlentleerung, ein Gefühl der Enge gegen das man andrücken muss sowie ggf. sogar die Notwendigkeit, bei der Stuhlentleerung z.B. durch Druck auf den Damm mithelfen zu müssen.

Wichtig für die Diagnose einer Obstipation ist dabei , dass eine klinisch relevante Verstopfung auch dann vorliegt, wenn die Stuhlfrequenz normal ist, aber bei mindestens 25% aller Stuhlentleerungen obige Symptome einer erschwerten Entleerung vorliegen. Die Bedeutung der chronischen Obstipation für den Patienten besteht in einer relevanten Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die dargestellte Symptomatik.

In Deutschland leiden mindestens 5% aller Menschen an Obstipationsbeschwerden. Frauen sind dabei deutlich häufiger als Männer betroffen u.a. aufgrund eines langsameren Stuhltransportes durch den Dickdarm bei Frauen. Eine chronische Verstopfung kann prinzipiell in allen Altersklassen vorkommen, nimmt aber mit steigendem Lebensalter zu und kann im höheren Alter eine Häufigkeit von über 20% erreichen. Dieser altersbedingte Anstieg der Häufigkeit liegt zum einen daran, dass die Geschwindigkeit des Dickdarmtransportes im Alter abnimmt und die Stuhlentleerung weniger rasch und kraftvoll erfolgt. Zum anderen begünstigen viele Erkrankungen des Alters - z.B. die Zuckerkrankheit, ein Schlaganfall oder eine Immobilität sowie die dafür eingesetzten Medikamente - das Auftreten bzw. den Schweregrad einer Obstipation. Immer muss bei einer Obstipation im fortgeschrittenen Alter auch an einen Dickdarmkrebs als Ursache gedacht werden und eine Dickdarmspiegelung (Coloskopie) durchgeführt werden, falls diese nicht mit unauffälligem Befund aus den letzten fünf Jahren vorliegt.

Zur Therapie der chronischen Obstipation kann eine ballaststoffreiche Ernährung, reichlich Flüssigkeitszufuhr, ausreichende Bewegung sowie der Verzicht auf eine Unterdrückung des Stuhldrangs empfohlen werden. Die Ballaststoffzufuhr mit der Nahrung kann bei unzureichender Wirkung durch die zusätzliche Gabe löslicher (z.B. Flohsamenschalen) oder unlöslicher (z.B. Weizenkleie) Ballaststoffe unterstützt bzw. weiter gesteigert werden. Das Ausmaß der Ballaststoffzufuhr kann jedoch durch das Auftreten von Blähungen und Bauchkrämpfen limitiert sein.

Eine Normalisierung einer zu geringen Trinkmenge wirkt sich positiv auf eine Obstipation aus. Bei einer Erhöhung einer normalen Trinkmenge ist dagegen kein Effekt auf die Obstipation zu erwarten. Auch eine körperliche Inaktivität ist mit einer Obstipation assoziiert und sollte daher vermieden werden. Durch eine Steigerung der körperlichen Aktivität über das normale altersentsprechende Maß hinaus ist dagegen kein gesicherter Effekt auf die Verstopfung zu erwarten. Eine Unterdrückung des Stuhldrangs führt zu einer Verlängerung der Transportzeit durch den Dickdarm und sollte daher vermieden werden.

Führen die obigen Allgemeinmaßnahmen, die sie als Betroffener stets selber ausprobieren können, nicht zum Erfolg, empfiehlt es sich zunächst, Ihren Hausarzt zu kontaktieren bzgl. einer weiteren medikamentösen Therapie. Zudem wird ihr Hausarzt entscheiden, ob aufgrund ihrer Beschwerdesymptomatik die Notwendigkeit einer frühzeitigen Diagnostik bei uns im Beckenbodenzentrum besteht. Das ärztliche Therapiekonzept unterscheidet sich, ob hauptsächlich eine Stuhlentleerungsstörung vorliegt oder eher die Verminderung der Stuhlfrequenz. Bei einer Stuhlentleerungsstörung wird man zunächst mit lokalen Therapiemaßnahmen wie der Verordnung von Zäpfchen oder Einläufen beginnen. Bei unzureichender Wirkung dieser Therapiemaßnahmen empfiehlt sich vor Änderung der Therapie die Durchführung einer Spezialdiagnostik in unserem Beckenbodenzentrum. Hierzu zählen die Rectummanometrie, die Defäkographie sowie eine Röntgen-Transitzeit-Messung.

Bei der Rectummanometrie handelt es sich um ein Therapieverfahren zur Beurteilung der Druckverhältnisse im Schließmuskelbereich, der Reflexverschaltung zwischen Enddarm und Schließmuskel sowie der Beurteilung, ob Dehnungsreize im Enddarm korrekt verspürt werden bzw. Stuhldrang auslösen. Für die Rectumanometrie wird ein etwa fünf mm dünner Messkatheter, an dessen Spitze ein kleiner aufblasbarer Ballon sitzt, über den Schließmuskel eingeführt. Das Verfahren ist schmerzlos und nach einer Untersuchungsdauer von ca. 15 Minuten beendet.

Bei der Defäkographie handelt es sich um die röntgenologische Beurteilung der Entleerung eines Kontrastmittelbreis, der zuvor mittels eines Katheters in den Enddarm eingebracht wird. Dadurch lassen sich Strukturveränderungen im Bereich des Enddarms darstellen, die die Ursache einer Entleerungsstörung sein können.

Bei der Röntgen-Transitzeit-Messung bekommen sie von uns sechs Markerkapseln zur Verfügung gestellt, die sie an sechs aufeinanderfolgenden Tagen einnehmen. Am siebten Tag wird dann eine Röntgenaufnahme des Bauch- und Beckenraumes durchgeführt. Aus der Zahl und Anordnung der im Röntgenbild sichtbaren Markerkapseln kann dann die Transportgeschwindigkeit des Dickdarms berechnet werden.
Basierend auf den Ergebnissen dieser Untersuchungen planen wir dann für sie die weitere Therapie bei Stuhlentleerungsstörungen. Diese Therapieverfahren können weiter Lokalmaßnahmen, zusätzliche medikamentöse Therapien, spezielle Trainingstherapien (Biofeedbacktherapie) sowie bisweilen auch operative Maßnahmen sein.

Ist eine Stuhlentleerungsstörung als Ursache der chronischen Obstipation aufgrund der Anamnese (Patientengespräch) und/oder der dargestellten Untersuchungen ausgeschlossen, besteht bei allen anderen Obstipationsformen die nächste Therapiestufe in der Gabe von Abführmitteln (Laxanzien). Auch gegen eine lebenslange Einnahme von Laxanzien bestehen bei korrekter medizinischer Indikationsstellung keine Bedenken. In diesem Fall ist weder mit einer Abhängigkeit, einer Schädigung der Darmstrukturen oder einem Verlust von wichtigen Blutsalzen zu rechnen. Einzig kann es (mit steigendem Alter) zur Notwendigkeit einer allmählichen Dosiserhöhung kommen. Die Laxanzien können dabei über eine vermehrte Wasserbindung im Stuhl („osmotische Laxanzien“) und/oder über eine Steigerung der Dickdarmbeweglichkeit („stimulierende Laxanzien“) wirksam sein. Zum ersten Typ zählen u.a. die Makrogolpräparate sowie die Laktulose. Zum zweiten Typ die Wirkstoffe Natriumpicosulfat und Bisacodyl sowie die pflanzlichen Sennapräparate.

Sollten die Laxanzien, die ihnen ihr Hausarzt verordnet, nicht ausreichend wirksam sein oder mit zu starken Nebenwirkungen z.B. Krämpfen oder Durchfall einhergehen, können vom Gastroenterologen (Magen-Darm-Spezialist) weitere Spezial-Medikamente verordnet werden. Ihr Hausarzt oder der Gastroenterloge wird zudem in Abhängigkeit von ihrem Beschwerdeausmaß entscheiden, ob er sie zu diesem Zeitpunkt wiederum bei uns im Beckenbodenzentrum zur Durchführung obiger Spezialdiagnostik vorstellt. Zu den Spezial-Medikamenten zur Therapie der hartnäckigen Verstopfung gehören Medikamente, die direkt die Muskulatur des Dickdarms stimulieren (Prucaloprid), die die Flüssigkeitsabgabe in den Darm im Bereich des Dünndarms fördern (Linaclotid, Lubiproston) sowie für die Sonderform der Verstopfung bedingt durch die Einnahme von Opiat-Schmerzmitteln spezielle Medikamente, die gezielt die Opiatnebenwirkung der Verstopfung im Darm aufheben (Naloxegol). Im Gegensatz zu den Laxanzien, bei denen die Kosten selber zu tragen sind, müssen die Kassen für diese Spezialpräparate die Kosten übernehmen.

Sollten alle medikamentösen Therapieoptionen bei Ihnen nicht greifen, so können im Rahmen unseres Beckenbodenzentrums weitere Therapieoptionen im Einzelfall eingesetzt werden. Hierzu zählen u.a. die Irrigationstherapie (großvolumige Spültherapie des Dickdarms über den After), die sakrale Neuromodulation („Kreuzbeinschrittmacher“) oder die operative Entfernung von Teilen oder des gesamten Dickdarms.