
Essstörungen
Laut dem Bundesgesundheitsministerium (2021) gehören Essstörungen zu den häufigsten chronischen psychischen Störungen im Erwachsenenalter. Oft entwickeln sie sich bereits im Jugendalter oder jungen Erwachsenenalter.
Es gibt verschiedene Arten von Essstörungen, häufig treten auch Mischformen auf. Letztere werden als atypisch oder als nicht näher bezeichnete Essstörungen betitelt. Wichtig zu verstehen ist, dass Unter- oder Übergewicht nicht automatisch auf eine Essstörung schließen lassen. Ebenso können Betroffene Normalgewicht haben. Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas) zählen übrigens nicht zu den Essstörungen (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 2018).
Welche Arten von Essstörungen gibt es?
(Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 2018)
Magersucht (Anorexia nervosa)
Ein charakteristisches Symptom der Magersucht ist anhaltendes Untergewicht oder ein starker Gewichtsverlust. Es resultiert aus der starken Angst davor, zu dick zu sein oder zuzunehmen und den Maßnahmen, die dagegen getroffen werden. Anfangs geschieht dies zwar noch freiwillig, doch irgendwann ist das Verhalten zwanghaft und nicht mehr abstellbar. So kontrollieren Betroffene ihr Essverhalten genau, sie zählen Kalorien, verzichten auf kalorienreiche Nahrung, essen sehr langsam, sehr wenig und nach bestimmten Zeitplänen
Zudem treiben sie häufig viel Sport, setzen Medikamente ein oder führen Erbrechen herbei, um noch mehr Gewicht zu verlieren. Die Gedanken kreisen nur noch um den eigenen Körper und um das Essen. Die Unterversorgung des Körpers führt zu Mangelerscheinungen (Frieren, Müdigkeit, Herzrhythmusstörungen, Verringerung der Knochendichte etc.), Hautveränderungen, Haarausfall sowie hormonellen Veränderungen. Bei starkem Untergewicht kann es auch zur sogenannten Lanugo-Behaarung, einer feinen, flaumartigen Behaarung, kommen. Trotz des Untergewichts fühlen sich Betroffene dick und erkennen zudem die Schwere ihrer Erkrankung meist nicht.
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 2018Irgendwann war meine Krankheit nicht nur mein einziger Lebensinhalt, mein Alibi für alles, was ich nicht leistete oder leisten wollte, sondern vielmehr ein Freund, ein Schatz, den ich mit allen Mitteln dieser Welt festhalten wollte. Ich hasste jeden, der mir einzureden versuchte, ich sei krank und bräuchte Hilfe.
Bulimie/Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa)
Das Hauptsymptom einer Bulimie sind regelmäßige Essanfälle. Betroffene nehmen während dieser Essanfälle übermäßig viel zu sich und verlieren die Kontrolle darüber, was und wie viel sie essen. Aus Angst vor einer Gewichtszunahme greifen sie auf Gegenmittel zurück, wie etwa übermäßig viel Sport treiben, fasten, hungern oder das Herbeiführen von Erbrechen. Ebenso werden appetitmindernde Medikamente, Abführmittel oder entwässernde Stoffe verwendet. Häufig rufen die Essanfälle sowie das gegensteuernde Verhalten Gefühle der Scham und des Versagens hervor. Das führt dazu, dass Betroffene ihr Verhalten zu verheimlichen versuchen. Bei Menschen mit einer Bulimie liegt das Körpergewicht meist im Normalbereich. Trotzdem können schwere gesundheitliche Folgen, beispielsweise durch den Mangel an Nährstoffen oder durch das häufige Erbrechen, zurückbleiben. Abgesehen von den psychischen, körperlichen und sozialen Folgen dieser Erkrankung kann es auch zu finanziellen Schwierigkeiten kommen, da regelmäßig große Mengen an Essen eingekauft werden müssen. Die Bulimie ist eine langwierige Erkrankung, mit Rückfällen sollte man rechnen.
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 2018Ich ging auf die Toilette und erbrach zum ersten Mal. Es war nicht leicht, eigentlich sogar eine entsetzliche Quälerei, das ganze Essen wieder herauszubekommen, aber das Glücksgefühl am nächsten Tag, trotz meiner maßlosen Esserei abgenommen zu haben, war überwältigend. Das war der Anfang der Bulimie, der Anfang eines grauenhaften Weges, den ich irgendwann nicht mehr verlassen konnte.
Binge-Eating-Störung
Kennzeichnend für die Binge-Eating-Störung sind wiederkehrende, unkontrollierbare Essanfälle. Betroffene verlieren die Kontrolle darüber, was, wie viel und wie lange sie essen. Oftmals enden die Anfälle erst, wenn ein unangenehmes Völlegefühl eintritt. Betroffene berichten von ausgeprägten Schuld- , Versagens- und Schamgefühlen im Anschluss an die Anfälle. Kommentare wie „Du musst einfach nur lernen, dich zu kontrollieren“ oder „Iss doch einfach weniger“ verstärken diese Gefühle noch, denn genau das gelingt im Rahmen der Erkrankung eben nicht. Die Essanfälle können eine Gewichtszunahme nach sich ziehen, demnach ist die Mehrzahl der Betroffenen übergewichtig oder adipös. Die Binge-Eating- Störung kann aber auch bei Menschen mit Normalgewicht auftreten.
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 2018Mit so einem Essanfall stopfe ich das Loch in mir.
Wodurch werden Essstörungen ausgelöst?
- Biologische und körperliche Einflüsse (z.B. erbliche Veranlagung, häufiges Diäthalten)
- Niedriges Selbstwertgefühlt, emotionale Labilität, Definition über die eigene Figur
- Vorherrschendes gesellschaftliches Schönheitsideal
- Pubertät (körperliche Veränderungen)
- Betreiben von Leistungssport (insb. wenn Aussehen von Bedeutung)
- Emotionale Probleme
- Belastende Erlebnisse (z.B. Gewalt, Verlust, Mobbing, Trennung etc.)
- Familiäre Einflüsse (z.B. gestörtes Essverhalten innerhalb der Familie, Überbetonung von Schlankheit oder Aussehen)
Wie können Essstörungen behandelt werden?
Um Essstörungen erfolgreich behandeln zu können, braucht es das Zusammenspiel von ärztlicher Behandlung und Psychotherapie. Dabei geht es in einer Psychotherapie nicht nur darum, das Essverhalten zu normalisieren. So nennt die Psychologin Greta Noordenbos (2013) folgende Behandlungsziele:
- Gestörte Essverhaltensweisen reduzieren
- Physische, psychische und soziale Konsequenzen reduzieren
- Ein positives Körperbild entwickeln
- Selbstwert und positive Selbstevaluation entwickeln
- Wahrnehmen, akzeptieren und ausdrücken von Emotionen
- Soziale Bewältigungsstrategien und bessere soziale Beziehungen entwickeln.
Themen, die für eine erfolgreiche Therapie aufgegriffen werden sollten, sind zudem die Überwindung von Perfektionismus, da viele Menschen mit Essstörung an Perfektionismus leiden und dies für die Erkrankung eine wichtige Rolle spielt, sowie die Identitätsfindung. Betroffene müssen lernen, ihre Identität, ihren Selbstwert und Bestätigung nicht (allein) über ihren Körper zu beziehen (Feistner, 2018).
Möglich ist eine ambulante, eine tagesklinische oder eine stationäre Behandlung. In lebensbedrohlichen Situationen kann auch eine Zwangsbehandlung notwendig sein. Selbst nach erfolgreicher Behandlung kann es zu Rückfällen kommen, daher ist die Nachsorge bei Essstörungen von besonderer Bedeutung.
Zwischenbericht einer Anorexie-Patientin über ihren Genesungsprozess (Feistner, 2018)Alles kreist in meinem Kopf, es ist wie ein Tornado. Erst wenn ich im Bett liege und mein Buch zur Hand nehme, ist es mir möglich, meine Gedanken und somit auch mich selber zur Ruhe zu bringen. Mir wieder ein Lächeln zu schenken und zu merken, dass ich großartig bin und mein Leben auch. Dass ich auch heute wieder vor vielen Herausforderungen stand und die meisten dennoch nach meinen Bedürfnissen bewältigt habe und mir die anderen Stolpersteine bewusst sind, über die ich heute »darübergeflogen« bin. Sage mir, alles gut, Schritt für Schritt, und morgen ist ein neuer Tag.
Hier finden Sie weitere Informationen:
Literatur
Bundesgesundheitsministerium. (2021, 1. September). Essstörungen. Zugriff am 01.09.2021.
Verfügbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/e/essstoerungen.html
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). (2018). Was sind Essstörungen?. Bundeszentrale für gesundheitliche Auflärung (BZgA). Zugriff am 31.08.2021.
Verfügbar unter: https://www.bzga-essstoerungen.de/was-sind-essstoerungen/?L=0
Feistner, R. (2018). Essstörungen - Heilung ist möglich. Ein Praxishandbuch (Leben lernen). Stuttgart: Klett-Cotta.
Noordenbos, G. (2013). Recovery from Eating Disorders: A Guide for Clinicians and Their Clients (1.Aufl.). Somerset: Wiley-Blackwell.