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„Die Medizin der Zukunft wird eine hörende sein“

Prof. Dr. Gian Borasio sprach beim Achdorfer Palliativtag in Essenbach

KrankenhausLandshut-Achdorf

Palliativmedizin – die Medizin der Zukunft? Dieser Frage widmete sich am vergangenen Freitag der Achdorfer Palliativtag der LAKUMED Kliniken, der in Essenbach stattfand. Im Rahmen der Veranstaltung sprach der bekannte Palliativmediziner und Autor Prof. Dr. Gian Borasio von der Universität Lausanne darüber, dass die Lebensqualität von schwerkranken und sterbenden Menschen in den Mittelpunkt der Behandlung gerückt werden muss und erklärte, warum Einfühlungsvermögen und aufmerksames Zuhören heilsam wirken.

„Wir sind überzeugt, dass bestmögliche Versorgung im letzten Lebensabschnitt und würdevolles Sterben möglich sein muss“, sagte Dr. Marlis Flieser-Hartl, geschäftsführende Vorstandsvorsitzende der LAKUMED Kliniken, und begrüßte die rund 150 Gäste verschiedener Berufsgruppen zum Achdorfer Palliativtag. In ihrer Ansprache ging Dr. Flieser-Hartl auf die Vorreiterrolle der LAKUMED Kliniken in der Palliativmedizin ein: Bereits vor zwölf Jahren wurde am Krankenhaus Landshut-Achdorf die Palliativstation eröffnet und auf dieser Idee aufbauend Ende 2011 das erste Hospiz in Niederbayern am Standort Vilsbiburg eingerichtet.

„Wir wollen die Palliativmedizin in den Fokus rücken“, sagte PD Dr. Bruno Neu, Chefarzt der Medizinischen Klinik II am Krankenhaus Landshut-Achdorf. PD Dr. Neu begrüßte besonders den bekannten Palliativmediziner Prof. Dr. Gian Borasio, der an vielen Gesetzgebungen und Studienordnungen mitgewirkt, zahlreiche Bücher verfasst, das interdisziplinäre Zentrum für Palliativmedizin am Klinikum Großhadern mitbegründet und den Lehrstuhl für Palliativmedizin an der Universität Lausanne inne hat.

„Die Sterbenden der Zukunft sind ganz anders, als wir uns das heute vorstellen können“, sagte Prof. Dr. Borasio zu Beginn seines Vortrags. Heute würden unter Palliativpatienten vor allem Patienten mit Krebserkrankungen gesehen werden – Palliativpatienten der Zukunft würden meist über 80 Jahre alt und von mehreren chronischen Krankheitsbildern gleichzeitig geprägt sein. „Aufgrund des demographischen Wandels wird die absolute Zahl der Sterbefälle bis 2030 um ein Viertel ansteigen“, prognostizierte Prof. Dr. Borasio und kritisierte, dass Pflegeeinrichtungen nicht darauf vorbereitet seien. Die Frage, wie mit der steigenden Anzahl an Palliativpatienten in Zukunft umgegangen werden solle, würde der Ansatz der Palliativmedizin beantworten.

Grundsätzliche umfasse Palliativmedizin nicht die Verlängerung des Lebens oder die Heilung einer Krankheit, sondern die Verbesserung der Lebensqualität. „Was Lebensqualität ist, entscheidet der Patient“, so Prof. Dr. Borasio. Zur Lebensqualität würden individuelle Wertvorstellungen, Würde und Dankbarkeit zählen. Zudem würden in die Palliativmedizin die gleichwertige Behandlung von Patient und Angehörigen sowie psychische, psychosoziale und spirituelle Aspekte einfließen.

Das wichtigste „Werkzeug“  in der Palliativmedizin sei die Kommunikation. Prof. Dr. Borasio kritisierte die unzureichende Aufklärung der Patienten über Diagnose, Krankheitsverlauf und Hilfsmöglichkeiten sowie die fehlende Empathie von manchen Ärzten. „Zuhören sollte die wichtigste therapeutische Kompetenz von Ärzten sein“, so Prof. Dr. Borasio. Daher müsse man in Zukunft auf die Ausbildung von Medizinstudenten im Bereich der Palliativversorgung setzen.

„Palliativ-Care ist Aufgabe aller im Gesundheitswesen tätigen Personen“, sagte Prof. Dr. Borasio weiter. Daher sind gut ausgebildete Palliativ-Care-Schwestern notwendig, die die beiden Säulen Symptomkontrolle sowie psychosoziale und spirituelle Betreuung vereinen und damit zusammen mit einem multiprofessionellen Team die Lebensqualität des Patienten verbessern können. „Die Medizin der Zukunft wird eine hörende sein – oder sie wird nicht mehr sein“, sagte Prof. Dr. Borasio am Ende seines Vortrags.

In der anschließenden Podiumsdiskussion sprachen Christine Gernböck, Palliativ-Care-Schwester der SAPV Landshut, Mathilde Steger von der Brückenpflege, Prof. Dr. Gian Borasio sowie die Oberärzte der Palliativstation am Krankenhaus Landshut-Achdorf, Wolfgang Sandtner und Dr. Martina Mayr, über die Arbeit in der Palliativversorgung. In der Diskussion wurde deutlich, dass die Kompetenzen und das Wissen über die Palliativversorgung ausgeweitet und nach außen getragen werden müssen, um langfristig eine Verbesserung bewirken zu können. 

Mitwirkende des Achdorfer Palliativtags: Chefarzt PD Dr. Bruno Neu, Christine Gernböck, Mathilde Steger, Prof. Dr. Gian Borasio, Dr. Marlis Flieser-Hartl, Wolfgang Sandtner und Dr. Martina Mayr (v.l.)

Prof. Dr. Borasio sprach über die Lebensqualität von schwerkranken und sterbenden Menschen und die Ansätze der Palliativmedizin.

Bei der Publikumsdiskussion wurde deutlich, dass das Wissen über die Palliativversorgung nach außen getragen werden müsse.

Zahlreiche Interessierte verschiedener Berufsgruppen nahmen beim Achdorfer Palliativtag teil.